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Mit hochmodernem Glasfasernetz die Nasenspitze ganz weit vorn
Der rote Pfeil auf dem Display signalisiert: Noch mindestens 40 Sekunden, bis die Ampel an der Bismarckstraße/Ecke B3 auf Grün umspringt. Getrost kann der Fahrer den Blick in die Umgebung schweifen lassen, denn er weiß: Ein akustisches Signal holt seine Aufmerksamkeit in den Verkehr zurück. Wenn das ertönt, zeigt das Display: noch sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eine Sekunde bis Grün. Die Ampel springt um. Gang rein – und weiter geht´s. Fast ein Jahr lang hat die Enlighten-App Autofahrer entspannt durch Darmstadt gebracht. Wer diesen Ampelphasenassistenten nutzte, wusste jederzeit, wie lange es noch dauert, bis die nächste Ampel Grün zeigt. Dann kam die Corona-Pandemie, die das anbietende Start-up nicht überlebt hat. Inzwischen wird ein neuer Ampelphasenassistent erprobt. Dieser wird die Echzeitverkehrsdaten nutzen, die von den an den Ampeln installierten Sensoren generiert werden. Mithilfe der App können sich dann alle Verkehrsteilnehmer:innen – egal ob Straßenbahn-, Bus-, Auto- oder Fahrradfahrer:in – über die optimale Reisegeschwindigkeit für eine grüne Welle informieren.
Darmstadt gehört zu den wenigen deutschen Städten, die alle infrastrukturellen Voraussetzungen erfüllen, damit eine solche App überhaupt funktionieren kann. Einer von vielen Gründen, warum gerade Darmstadt auserkoren wurde, als „Digitalstadt“ wie ein Reallabor zu fungieren, in dem Projektpartner:innen ihre Digitalkonzepte auf Praxistauglichkeit überprüfen und zur Marktreife weiterentwickeln können. Denn ihren Verkehr steuert die Wissenschaftsstadt über ein eigenes, hochmodernes Glasfasernetz. „Damit haben wir deutschlandweit die Nasenspitze ganz weit vorn“, sagt Ralf Tank, Mitarbeiter des Mobilitätsamtes. Das Beispiel des privaten App-Anbieters habe auch gezeigt, wie wichtig es sei, dass solche Systeme in der Hand der Kommune bleiben, meint Tank. „Schließlich liegt der Mehrwert solcher Anwendungen ja auch bei uns – wenn der Verkehr fließt und die Abgase weniger werden. Und gerade wegen unserer ausgezeichneten Ausgangssituation hier in Darmstadt hat die App sehr, sehr gut funktioniert.“
95.000 Einpendler,
25.000 Durchpendler
Rund 160 Ampeln schicken bis zu 20 Datensätze pro Sekunde, rund 380 Kameras senden ihre Bilder. Der öffentliche Nahverkehr kommuniziert direkt und dreistufig mit den Ampeln vor Ort: „bin bald da“, „bin da“ und „bin durchgefahren“. All diese Informationen laufen in Echtzeit im städtischen Verkehrsrechner zusammen, der ebenso in Echtzeit die Ströme der Verkehrsteilnehmer:innen regelt – Fußgänger:innen, öffentlicher Nahverkehr, Individualverkehr. „Ohne dieses Netz wäre es kaum möglich, die rund 95.000 Einpendler, 25.000 Durchpendler und insgesamt rund 163.000 Menschen zu lenken, die innerhalb der Stadt täglich von A nach B müssen“, sagt Tank und ergänzt mit Blick auf die Vorteile für die App-Nutzung: „TomTom arbeitet mit zehn Minuten Verzögerung, Google-Maps minutengenau, wir arbeiten sekundengenau.“
Zehn Jahre lang sind alle Daten auf der Open-Data-Plattform gespeichert – was Darmstadt für viele wissenschaftliche Arbeiten interessant macht. Wenn demnächst diese Verkehrsdaten auch noch mit den Informationen aus dem erweiterten Sensornetz und dem vergrößerten Umweltsensornetz zusammengeführt und ausgewertet werden, ist dann auch eine Verkehrssteuerung möglich, die sich an Umweltbedingungen orientiert und auch dem Umweltschutz dient. Alle gespeicherten Daten lassen keine Rückschlüsse darauf zu, welche Person wann und wo in Darmstadt war. Die Aufnahmen der Kameras sind entweder Infrarot-Darstellungen oder so unscharf, dass weder Menschen noch Autokennzeichen erkennbar sind. Die Bilder selbst werden nicht gespeichert – für die Verkehrssteuerung und künftige Prognosen über Verkehrsströme in Bezug auf Umweltbelastung ist lediglich interessant, wie viele Autos oder Radfahrer:innen zu welchem Zeitpunkt über eine Kreuzung gefahren sind und wie die Ampeln geschaltet waren.
Bei der Steuerung des Verkehrs gibt es in Darmstadt schon jetzt klare Prioritäten: „Für 100 Prozent Fahrplantreue hat der öffentliche Nahverkehr Vorrang“, so Tank. Damit auch der Individualverkehr möglichst gut im Fluss bleibt, passt das System die Ampelschaltungen dem individuellen Verkehrsaufkommen an – so kann an einer Ampel die Grünphase 17 Sekunden dauern, dann 12 und dann wieder 24, je nachdem, wie viele Autos unterwegs sind und von Kamera oder Kontaktschleife erfasst werden. Nicht zu vergessen: die Fußgänger:innen – vor allem die jüngsten. „Grundschüler:innen laufen häufig nach 40 Sekunden einfach los, egal was die Ampel zeigt“, so Tank. Deswegen müssen auf Darmstädter Schulwegen Fußgänger:innen an Bedarfsampeln nicht länger als 40 Sekunden warten.
Von der Straßenbahn direkt zum Leihrad oder geteilten Auto
Verkehrssteuerung in Darmstadt – ein permanentes Abwägen verschiedener Interessen. Und diese können auf dem Weg durch die Stadt durchaus auch wechseln – von Bus und Bahn zum Taxi, Mietfahrrad oder geteilten Auto. „8 Räder verfügbar“ zeigt um die Mittagszeit die HEAG mobilo App für die Call-a-Bike Station am Darmstadtium an. Das hat möglicherweise der junge Mann gesehen, der am Schloss aus der Linie 3 steigt. Schnurstracks geht er zu den Mieträdern und rauscht bald auf einem davon. Die App des Darmstädter Verkehrsunternehmens zeigt zuallererst Bus- und Bahnverbindungen von A nach B – der Clou ist jedoch die hinterlegte Karte. Darauf bewegen sich in Echtzeit die Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs, sodass Kund:innen jederzeit einschätzen können, wo welche Bahn gerade ist und ob der Anschluss klappt. Die Karte zeigt auch alle Stationen von Call-a-Bike und des Carsharing-Anbieters book-n-drive an, ebenso wie alle Taxistände – damit die fehlende Nähe der Station zum Endziel kein K.o.-Kriterium für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs bleiben muss. Wer auf den entsprechenden Button klickt, wird direkt zur Webseite von Call-a-Bike oder book-n-drive geleitet oder kann telefonisch Kontakt mit der Funktaxi-Zentrale aufnehmen.
Dynamische Fahrgastinformation für die Hosentasche
Eine gute Benutzerfreundlichkeit stand für Patrik Romstätter, Abteilungsleiter Kommunikation und Vertrieb bei der HEAG mobilo, im Vordergrund, als er mit seinem Team die App ins Auge fasste. „Wir wollten eine dynamische Fahrgastinformation für die Hosentasche.“ Jens Schiwy und sein Team im Sachgebiet Verkehrstelematik halfen bei der Umsetzung. Gemeinsam wog man ab, welche Funktionen hilfreich sind, ohne die Bedienbarkeit der App zu gefährden. So hatte und hat die Verbindungssuche Priorität. Im Sommer 2018 kamen dann die Schnittstellen zu den Carsharing- und Mietfahrrad-Anbietern dazu. Alle weiteren Zusatzangebote wie Hinweise zu Verkehrsstörungen, ein Abfahrtsmonitor oder eine Wegansage für Sehbehinderte können über Menü-Punkte gewählt oder einfach ignoriert werden.
Als weiterer großer Schritt kam Anfang 2021 die von den Nutzer:innen lang gewünschte Handyticket-Funktion hinzu, mit der Fahrkarten bequem in drei Schritten gekauft werden können. Die App wurde bislang fast 70.000 Mal heruntergeladen und verzeichnet rund 10.000 Nutzer:innen pro Monat.