Selbstbewusst in der digitalen Welt
Internet und Medien lassen sich nicht mehr von unserem Alltag trennen. Wenn wir jedoch verstehen, wie die Medienwelt funktioniert und was sie mit uns macht, können wir uns selbstbewusster und sicherer darin bewegen. Aus dieser Überzeugung heraus bietet im Digitalstadt-Projekt „Haus der digitalen Medienbildung“ das Team des Hessischen Instituts für Medienpädagogik (MuK) kostenlose Workshops, Schulungen und Vorträge an. Und so geht es beispielsweise für Elternabende und Schüler-Events in Darmstädter Schulen – wie in die Justus-Liebig-Schule (LIO). „Die fünfte Klasse ist eine kritische Zeit für die Auseinandersetzung mit Medien“, erklärt LIO-Schulleiter Thomas Schmidt, warum an diesem Morgen auf dem Stundenplan der fünften Klassen „Medientag“ steht. „Wenn wir bei Info-Abenden die Eltern von Viertklässlern fragen, haben die wenigsten ihrer Kinder ein Handy. Fragen Sie beim ersten Elternabend in der fünften Klasse, haben fast alle eins.“ Nicht anders beim aktuellen Fünfer-Jahrgang. Ausnahmslos alle haben ein Smartphone – mit dem sie WhatsApps schreiben, lustige Bilder oder Videos im Portal Tik Tok ansehen oder selbst hochladen, auf Youtube Hausaufgabenhilfe suchen oder auf Netflix Filme angucken.
„Das Geld, das ihr bezahlt, sind eure Daten“
„Wie kann es sein, dass euch all diese Dinge nichts kosten? Bei den Firmen, die das alles anbieten, arbeiten doch viele Menschen und verdienen dort Geld“, fragt Medienpädagoge und MuK-Geschäftsführer Peter Holnick in die Runde. Der Kooperationspartner des Digitalstadt-Projekts erntet nur Schulterzucken. „Das Geld, mit dem ihr bezahlt, sind eure Daten – weil sie für diese Unternehmen interessant und wertvoll sind“, gibt er selbst die Antwort. „Je mehr Daten sie von uns haben, also je mehr sie erfahren, welche Apps wir wie lange nutzen, welche Videos wir uns ansehen oder mit wem wir schreiben, umso besser können die Unternehmen uns verstehen – und uns beeinflussen.“ Seinen staunenden Zuhörern erzählt er das Beispiel der amerikanischen Online-Handelsplattform Amazon: Sie schicke Menschen Produkte zu, die diese sich mehrfach auf der Webseite angesehen hatten – jedoch ohne sie zu bestellen. Holnick: „70 Prozent dieser auf Verdacht zugeschickten Päckchen werden behalten.“
Das „Haus der Digitalen Medienbildung“
Das Digitalstadt-Projekt ist ein Gemeinschaftsprojekt des Sozialdezernats der Wissenschaftsstadt Darmstadt und des Hessischen Instituts für Medienpädagogik und Kommunikation (MuK). Es soll Kinder, Jugendliche und Erwachsene aller Generationen dazu befähigen, sich in der heutigen digitalen Welt zurechtzufinden. Sein medienpädagogisches Angebot stellt den Menschen und nicht die Technik in den Mittelpunkt. Es richtet sich an Grundschulen und weiterführende Schulen, Eltern, Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte.
können sie gefährlich für uns werden? Und wie können wir das
vermeiden? Zur Auseinandersetzung mit diesen Fragen durften die
LIO-Fünftklässler sich in zwei von fünf verschiedenen Workshops
einwählen. „Ich fand ‚Die Macht der Marken‘ total cool“, berichtet in
der ersten Pause ein Mädchen seiner Freundin von ihrem
Workshop-Erlebnis. „Ich wusste gar nicht, dass sich in Marken so viele
Zeichen verstecken.“ Crossmedia-Designerin Mareike Biek hatte sie mit
der Symbolwelt von Logos und der Aufgabe von Influencern vertraut
gemacht und sie auch ein eigenes Logo entwerfen lassen. In „Die Macht
der Medien“ erfahren sie von der Online- Journalistin Judith Michler:
„Wir verlassen uns zu 80 Prozent auf unsere Augen, obwohl die am
leichtesten zu täuschen sind.“ Sie zeigt unter anderem Bilder von
Personen, die entweder von unten oder von oben fotografiert wurden –
Letztere wirken durchweg selbstbewusster und einflussreicher. Michler:
„Wenn wir diese Dinge wissen, lassen wir uns nicht so leicht täuschen.“
Ein Spiel, das stresst, ist das falsche Spiel
Ein paar Jungs hatten wohl nicht ganz genau hingesehen, als sie sich für den Workshop „Gesundheit und Gaming“ entschieden – sind aber die richtige Zielgruppe. „Ich möchte hier coole Spiele kennenlernen“, formuliert einer seine Erwartungen an Workshop-Leiter Sebastian Mehmel. Dem bekennenden „Gamer seit meiner Kindheit“ geht es aber darum, mit den Mädchen und Jungen über den Einfluss elektronischer Spiele auf ihre Gesundheit zu sprechen. Schnell schwirren abenteuerlichste Geschichten von zerstörten Bildschirmen und aus dem Fenster geworfenen Konsolen durch den Raum. Mehmel: „Spielen soll vor allem Spaß machen. Wenn es keinen Spaß macht oder stresst, ist es das falsche Spiel oder ihr spielt es falsch.“
Um richtiges und falsches Verhalten, um Mobbing im Netz und Bilder, die auf ewig im Internet rumgeistern, geht es im Workshop „Soziale Netzwerke“. Der Workshop „Schöne neue Bilderwelt – Werbung, Medien und Rollenklischees“ mit Kinder- und Jugendbuchautorin Ilona Einwohlt thematisiert, wie Medien und auch Marken bewusst Geschlechter-Klischees aufbauen und so Denk- und Verhaltensmuster prägen. „Krass“, entfährt es einem Jungen. „Da werde ich jetzt mehr drauf achten.“
Was zur gleichen Zeit Peter Holnick in seinem Workshop „Verloren in der Medienwelt – meine Medienbiografie“ sagt, gilt für alle Kinder und Jugendlichen in diesem Alter: „Ihr gehört zur ersten Generation, die in der analogen und der digitalen Welt aufwächst. Für euch ist es gerade jetzt ganz besonders wichtig, herauszufinden, wer ihr seid und was ihr wollt oder nicht. Und dafür braucht ihr auch die anderen. Weil die meisten auch in der digitalen Welt sind, müsst auch ihr lernen, sie zu verstehen und darin zurechtzukommen.“
Ansprechpartner/in
Haus der digitalen Medienbildung
Peter Holnick,
Ilona Einwohlt
Anschrift
Forstmeisterstr. 11
64285 Darmstadt
Tel.: 0175 9341336