Licht an, Licht aus – ganz nach Bedarf
Von Norden kommend, sind 17 Straßenlaternen gut sichtbar wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht. Sie sind Gegenstand des Gemeinschaftsprojekts der ENTEGA AG, e-netz Südhessen GmbH & Co KG, der LUXSTREAM GmbH und der Tridonic GmbH & Co KG. Zudem ist die knapp 300 Meter lange Strecke nur für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben. Sie wird in erster Linie von Spaziergängern sowie Rad fahrenden Kindern und Jugendlichen auf dem Weg zur Hessenwaldschule genutzt – und von Reitern von den Höfen zwischen Wixhausen und Erzhausen.
Ein Lichtteppich für Spaziergänger und Radler
In der Abenddämmerung liefert ahnungslos eine Frau mit ihrem Hund die perfekte Demonstration ab, was dieses Projekt bezwecken soll: Seit vor fünf Minuten und 55 Sekunden der letzte Radler die Straße verlassen hat, leuchten die Straßenlaternen mit ihrer vollen Strahlkraft den gesamten Weg aus, ohne dass jemand zu sehen ist. „56, 57, 58, 59, 60“, zählt Thomas Bosiacki von LUXSTREAM die letzten Sekunden laut mit – bei Ablauf der sechs Minuten reduzieren sämtliche Leuchten ihre Leistung. Dabei bleiben sie gerade so hell, dass die Straße selbst noch gut zu erkennen ist. Die Fußgängerin nähert sich mit ihrem Hund im Dämmerlicht der ersten Leuchte. Ihr Sensor bemerkt die beiden, informiert die anderen Straßenlaternen – und sie gehen alle gemeinsam schlagartig wieder an, legen einen hellen Lichtteppich für die nächtlichen Gassigänger aus. „Die Sicherheit für die Bürger:innen soll weiterhin in vollem Umfang gegeben sein, aber eben nur, wenn die Strecke auch genutzt wird“, erklärt Stefanie Horchler von der ENTEGA.
Adaptive Straßenbeleuchtung nennt sich das, was die Digitalstadt derzeit mit ihrem Projekt „Smart Lighting“ am Feldrand von Wixhausen testet, denn sie passt sich dem jeweiligen Bedarf an. Für die Sicherheit von Fußgängern, Radfahrern und Reitern muss die Straße nicht die ganze Nacht ausgeleuchtet sein. Wird die Beleuchtung sechs Minuten lang nicht gebraucht, dimmt sie sich selbst, um sofort wieder voll zu strahlen, sobald sich jemand nähert.
Hinter alldem steckt moderne Digitaltechnologie. Und die funktioniert so: Vier der 17 Straßenlaternen sind mit einem PIR-Sensor des Projektpartners Tridonic ausgestattet. PIR steht für passive infrared sensor – das heißt, der Sensor reagiert auf die Infrarot-Strahlung in seinem Erfassungsbereich. Betritt diesen ein Mensch oder ein anderes wärmestrahlendes Objekt, löst der Sensor ein Signal aus. Diese Information gibt die Straßenlaterne blitzschnell über eine Antenne (Node) an die anderen Straßenlaternen weiter, die ebenfalls mit Nodes ausgestattet sind und zusammen ein sogenanntes Mesh-Netzwerk bilden. In diesem maschenartig aufgebauten System kann jede Antenne mit mehreren anderen in ihrer Reichweite kommunizieren. Der Vorteil: Sollte ein Node ausfallen, bleibt das Netzwerk durch die Kommunikation der anderen aktiv – und fährt die Beleuchtung hoch, sobald ein Sensor „Alarm schlägt“.
87 Prozent Energiespar-Potenzial
Sicherheit
Wer sich auf der Straße bewegt, findet sie hell erleuchtet, ansonsten liegt sie in gedimmtem Licht.
Energie-Effizienz
Die Lampen leuchten nur dann hell, wenn sie gebraucht werden.
Exakte LED-Beleuchtung
Der Lichtkegel kann gezielt nur öffentliche Flächen ausleuchten, Terrassen und Vorgärten ausklammern.
Umweltaspekte
Adaptive Beleuchtung vermeidet unnötige Lichtverschmutzung. Reporting: Leuchten informieren Techniker, wenn sie ausfallen, liefern Vorschläge zur Problemlösung und tragen zu niedrigeren Wartungskosten bei.
Übersicht
Daten zu Energieverbrauch und den Intervallzeiten der Beleuchtung erlauben Schlüsse zum Energiespar-Potenzial des Systems.
Eulen kommen zurück
Die adaptive Steuerung bringt zudem die Dunkelheit in die Nacht zurück. „Damit vermeiden wir unnötige Lichtverschmutzung, gerade hier in Feldrand-Lage“, sagt Stefanie Horchler. Denn die Natur reagiert sensibel auf die zunehmende künstliche Dauerbeleuchtung in Ballungszentren. Das Projekt zeigt bereits Wirkung: Seit der Installation der Anlage im Frühjahr 2019 wurden hier wieder vermehrt Eulen gesichtet. Bosiacki nennt eine weitere mögliche Anwendung: „Wenn beispielsweise besondere Ereignisse ein längeres Beleuchtungsintervall oder Dauerbeleuchtung erfordern, können wir das über das CMS einstellen.“ Fällt eine Straßenlaterne aus, meldet sie das ebenfalls dem System – und liefert gleich einen Vorschlag für die Problemlösung mit. „Das kann Wartungsaufwand und -kosten enorm senken, da die Techniker die Straßenlaternen nicht mehr abfahren müssen“, so Daniel San Jocić, geschäftsführender Gesellschafter von LUXSTREAM.
Insbesondere für Wohnanlagen oder Seitenstraßen, wo in den Abendstunden für gewöhnlich wenig Bewegung ist, kann die adaptive Beleuchtung attraktiv sein – auch wegen der eingesetzten LED-Technologie. Sie erlaubt eine punktgenaue Ausrichtung des Lichts, sodass die Straßenbeleuchtung ausschließlich öffentliche Straßen und Wege erhellt und nicht – wie bisherige Leuchtmittel – auch gleich noch Vorgärten und Terrassen mit ausleuchtet. Stefanie Horchler zusammenfassend: „Mit adaptiver Beleuchtung wird nur beleuchtet, was auch beleuchtet werden soll.“